Heute, am 21. Januar 2017, ziemlich genau ein halbes Jahr her, dass die WWE den Brand Split zurückgebracht hat. Von vielen Fans sehnlichst erwünscht, von vielen anderen aber auch mehr als skeptisch betrachtet ernannte Vince McMahon seine beiden eigenen Sprösslinge, Stephanie und Shane McMahon, zu den Commissionern von RAW und SmackDown - ein Job, der nicht gleichzusetzen mit dem des General Managers ist (diese Rolle füllen seit dem 18. Juli Mick Foley und Daniel Bryan aus) und tatsächlich stellt sich mir persönlich bis heute die Frage, ob der Job des Commissioners tatsächlich mehr wirklichen Sinn hat als nur, Shane und Stephanie in irgendeiner pseudo-wichtigen Rolle in den Shows zu halten, während die Publikumslieblinge den eigentlich relevanten Job erledigen, nämlich den des General Managers.



Der eigentliche Draft Pick, obgleich logisch, verärgerte direkt einen nicht zu verachtenden Teil der Fangemeinde: so sollte RAW stets drei Wrestler picken dürfen, während SmackDown nur zwei wählen durfte und das in jeder Runde. Mit der Tatsache im Hinterkopf, dass RAW drei Stunden und SmackDown nur zwei Stunden lang ging, wehrten sich trotzdem einige Fans gegen dieses System mit der bereits bekannten und allgegenwärtigen Forderung, man solle RAW wieder auf zwei Stunden kürzen. Es setze ein unmissverständliches Zeichen, dass SmackDown weiterhin die B-Show sei, während RAW als Flaggschiff weiter die WWE anführe. Wie man es auch sehen wollte: gleich die erste Runde hielt einige Kracher bereit, denn während SmackDown sich den amtierenden WWE Champion Dean Ambrose und AJ Styles unter den Nagel riss, holte RAW Seth Rollins, WWE Women's Champion Charlotte und... Finn Bálor.



Insgesamt sechs Picks durften von NXT gewählt werden; die anderen fünf setzten sich zusammen aus American Alpha (SD), Nia Jax (RAW), Alexa Bliss, Mojo Rawley und Carmella (alle SD). Einige zu der Zeit verletzte oder anderweitig verhinderte Wrestler_innen, wie Nikki Bella, Luke Harper und auch Heath Slater, der im Rahmen einer Storyline erst noch um seinen Vertrag kämpfen musste, stießen erst später zu ihren Rostern. Doch für's Erste waren die Roster gesetzt. Und schon die allererste Ausgabe von RAW riss nach allen Regeln der Künst die Hütte ab. Finn Bálor setzte sich in einem kurzen Turnier mit acht Teilnehmern erst im Qualifying Match gegen Rusev, Cesaro und Kevin Owens durch, um dann das Finale gegen Roman Reigns (!) zu gewinnen und Gegner vom handgewählten Seth Rollins beim SummerSlam zu werden, ein Match, welches er später gewinnen sollte, um sich erster WWE Universal Champion nennen zu dürfen. Ebenso konnte Sasha Banks Charlotte besiegen und Women's Champion werden. SmackDown hingegen blieb anfangs hinter den Erwartungen zurück - soweit man das denn sagen konnte, denn bei vielen Fans waren die Erwartungen von vornherein nicht besonders hoch.



Doch das Blatt sollte sich wenden. Schnell wurde klar, dass RAW auch mit verkleinertem Roster unter der Drei-Stunden-Bürde litt und dass der geringere Umfang von SmackDown Live sich früher oder später als Segen für die blaue Show erweisen würde. Das Team um Ex-NXT-Writer Ryan Ward machte aus einem relativ kleinen Roster ein sehenswertes Produkt, welches seine begrenzten Möglichkeiten teils bis zur Erschöpfung nutzte. Nicht zuletzt auch die Women's Division wurde hoch angepriesen, denn mit gerade einmal sieben Frauen gelang es dem Team, eine ausgeglichene, schwer zu berechnende und spannende Division aus dem Boden zu stampfen, während RAW genau zwei Frauen ins Rampenlicht stellte: Charlotte und Sasha Banks. Auch die Storyline rund um Heath Slater à la "vom Ausgemusterten zum Champion" fand viel Lob und Anerkennung. RAW tat sich derweil mit Charakterentwicklung sichtlich schwer, nur wenige Stars stachen tatsächlich heraus und dann auch noch jene, die es eigentlich nicht primär sollten, allen voran Chris Jericho, der seinen Freund und späteren WWE Universal Champion Kevin Owens mehr als nur einmal in den Schatten stellte. Auch Seth Rollins fand in seiner Rolle als "Face" nie in die Form, die er als einer der besten WWE-Heels der letzten Jahre erreicht hatte.



SmackDown did its thing - und das verdammt gut. AJ Styles gab von Tag 1 eine gute Figur als WWE Champion ab und stellte seine Fähigkeiten in Matches gegen John Cena, Dean Ambrose und nicht zuletzt auch die Kampfmaschine James Ellsworth unter Beweis. The Miz durfte endlich wieder angemessenes Booking genießen und stach nicht zuletzt auch in einer guten Fehde gegen Dolph Ziggler heraus - zweifellos hob er den Wert der Intercontinental Championship mit seinen Runs #5 und #6 erheblich. Auch Randy Orton, der erstaunlicherweise seinen Weg zur Wyatt Family fand, wurde in eine Rolle gesteckt, die man nicht von ihm gewohnt ist und dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - richtig gut funktioniert, bis heute. So kam es schließlich in der letzten Kalenderwoche des Jahres zu einem Ereignis, welches Fans gleichermaßen wie Experten weitestgehend für kaum möglich hielten: SmackDown (2,89 Mio. Zuschauer) übertrumpfte RAW (2,86 Mio. Zuschauer) in puncto Ratings. Dies hat sich bis heute, nicht zuletzt durch einen verhältnismäßig großen Zuschauerzuwachs bei RAW, zwar nicht wiederholt, doch die als B-Show verschriene Blue Brand hat ein klares Ausrufezeichen gesetzt und es ist gut möglich, dass wir so etwas in Zukunft wieder erleben dürfen.



Wie sieht die Zukunft also aus? Wie lautet das Fazit nach sechs Monaten Rostersplit?

Auch wenn RAW oftmals unter den eigenen Ansprüchen und auch deutlich unter den Erwartungen der Fans blieb, ist dennoch eine positive Entwicklung bei der selbsternannten Flagship Show zu beobachten. Dass nun nicht mehr 70 bis 80 Wrestler in ein dreistündiges Format gestopft werden "müssen", gibt auch den Performern der roten Show mehr Möglichkeiten, sich durch Airtime zu beweisen und wichtige Erfahrungen zu sammeln. Die Entwicklung von SmackDown hingegen ist eine Überraschung - für manche kleiner, für manche größer, doch für die Meisten eine erfreuliche Überraschung. Dass die Shows derart verschiedene Wege einschlagen, ist zweifellos interessant, denn schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass Vince McMahon weiterhin das letzte Wort bei BEIDEN Produkten hat. Ich denke, dies ist als ein Zeichen größerer kreativer Freiheiten bei den jeweils zuständigen Writingteams zu deuten, eine Entwicklung, die ich für sehr begrüßenswert halte. Mit dem Royal Rumble steht die Show der großen Überraschungen bereits in acht Tagen vor der Tür und schon jetzt lautet die Frage, wen der Rumble in die Roster von RAW und SmackDown spülen wird - Samoa Joe? Shinsuke Nakamura? Bobby Roode? Vielleicht auch Tye Dillinger? Die WWE hat nahezu alle Trümpfe in der Hand und ich glaube, dass 2017 ein starkes Jahr für die WWE werden wird, deutlich besser als 2016 und besonders 2015 es waren, Der Kurs stimmt ja schon mal. Bei SmackDown mehr, bei RAW weniger - doch eines muss man festhalten: das Produkt LEBT. Und es bestehen nicht viele Gründe dagegen, dass auch RAW wieder erstarken können wird.


Anmerkung: es steht hier nichts besonderes drin, ich hatte nur Freizeit ^^

@450: Hmm, ein bisschen was von beidem... ich hab irgendwie gar nicht daran gedacht, dass die Cruiserweights mit 205 Live jetzt ja quasi so was wie ein eigener Brand sind. Deswegen hab ich sie nicht mit reingenommen. Aber das lässt sich sicherlich noch nachtragen. Ansonsten danke :)

@CM Punk: Stimmt, das mit der geringeren Auswahl im ME bzgl. Reigns hab ich gar nicht bedacht. Da ist was dran.